Montag, 8. Oktober 2012

Ein Miederschnitt

Das Herzstück für ein Dirndl ist natürlich das Mieder. Es formt Taille und Brust und sorgt für Kurven. 
Je nach geografischer Lage und Zeit wird das Mieder anders genannt. Leibl, Loibl, Spenzer, Leibgewand, Schnürbrust ... um nur ein paar zu nennen. Für Interessierte bietet die Trachtenberatung Schwaben eine gute Übersicht über die Begrifflichkeiten und zeigt außerdem fotografische Beispiele aus verschiedenen Jahrhunderten. Interessant finde ich das Bild eines "Rüschenspenzers" aus dem 18./19. Jahrhundert. Es zeigt, dass während der Empiremode die Taille des Dirndls entsprechend der damals vorherrschenden Mode nach oben, unter die Brust gewandert ist. Das Dirndl war modisch also schon immer ein Chamäleon.
Für mich habe ich mir ein separates Mieder vorgestellt. So kann ich Mieder, Rock und Schürze je nach Laune und Anlass kombinieren. Außerdem kann ich ein separates Mieder auch mal zu Jeans und Lederjacke tragen. 
Wie ja schon angedeutet, ist es mir nicht gelungen einen Mieder-Schnitt aus der Burda so abzuändern, das er für mich passend ist. Nicht dass ich es nicht lange genug versucht hätte. Ich habe meterweise Kopierpapier und Nessel geschnitten, genäht, abgesteckt, die Änderungen wieder auf Papier übertragen und wieder ein neues Nesselmodel versucht. 
Dieses Mal habe ich mich gleich an einen Profi gewandt. Hier in Augsburg bietet eine Scheidermeisterin u.a. Schnitterstellung und Nähberatung an. Sie hat mich abgemessen und mir einen Maßschnit für ein Mieder mit "Wiener Naht" erstellt. Eine Verstärkung mit Stäbchen habe ich nicht vorgesehen, da ich die näherische Herausforderung erst mal einfach halten will. Außerdem soll es ja auch für den Job und in der Freizeit tauglich sein und da ist es mir pur und anschmiegsam lieber. Die Schneidermeisterin empfahl mir einen zusätzlichen Abnäher zu versuchen, um den bei mir sehr großen Unterschied zwischen Brustweite, Unterbrust und Taille optimal auszugleichen.
Nach einer Woche konnte ich den Schnitt abholen und hab' ganz gespannt ein Model aus Nesselstoff genäht. Ich war begeistert! Schon der erste Entwurf war beinahe perfekt. Nur am Rücken gab es noch Optimierungsbedarf, den die Meisterin auch sofort gesehen und den Schnitt nochmal überarbeitet hat. Das zweite Nesselmodel habe ich dann auf Anregung der Meisterin "geklebt". Das heißt ich habe am Ausschnitt und auf die Träger Batist-Gewebeeinlage aufgebügelt. Damit verhindert man, dass der Nessel beim Anprobieren und Abstecken ausleiert. So kann man sicher gehen, dass man das Abgesteckte auch 1:1 auf den Papierschnitt übertragen kann. Das war vermutlich auch einer meiner Fehler bei der Schnittanpassung. Nicht zu kleben!
Das zweite Nesselmodell war perfekt. Es saß wie angegossen, formte einen tolle Figur und fühlte sich an wie eine zweite Haut ohne mich einzuengen. Der Büste passt es nicht, da ich Größe 42/44, die Büste eher 38 hat. Mein "Dirndlgefühl" war auf jeden Fall wieder da und der Weg frei in den "echten" Stoff zu schneiden.